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Bestseller & Preise

Deutscher Jugendliteraturpreis 2017

Favoriten und Preisträger

 

And the winner is …

Am 13. Oktober 2017 wurden auf der Frankfurter Buchmesse die Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises in den Kategorien Kinderbuch, Bilderbuch, Sachbuch und Jugendbuch verkündet. Wir hatten vorab unsere Favoriten ausgewählt – und sie jetzt den tatsächlichen Preisträgern gegenüber gestellt. Die vollständige Übersicht der Nominierten findet ihr hier.

Auch die Jugendjury, bestehend aus sechs Leseclubs aus ganz Deutschland, hat wieder ihre Favoriten in der Kategorie Jugendbuch bestimmt. Wir hatten sechs Mitglieder des Pankower Leseclubs zu Besuch in unserer Redaktion. In unserem Jugendmedienkanal „Tales & more“ stellen sie uns die nominierten Bücher der Jugendjury persönlich vor.

 

 

Über den Deutschen Jugendliteraturpreis:

Der Deutsche Jugendliteraturpreis wird seit 1956 jährlich vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gestiftet und vom Arbeitskreis für Jugendliteratur ausgerichtet. Ziel des Deutschen Jugendliteraturpreises ist es, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit zu stärken und ihnen Orientierungshilfe bei einem schier unüberschaubaren Buchmarkt zu bieten. Ausgezeichnet werden herausragende Werke der Kinder- und Jugendliteratur.

 

 

 

Unser Favorit in der Kategorie Kinderbuch

 

Taran Bjørnstad (Text), Christoffer Grav (Illustration), Maike Dörries (Übersetzung)
Der Krokodildieb
Aus dem Norwegischen von Maike Dörries
Beltz & Gelberg
ISBN: 978-3-407-82109-6
€ 12,95 (D), € 13,40 (A)
Ab 7

 

Jurybegründung

Der neunjährige Odd hat es nicht leicht, er hat Angst vor großen Hunden, wird in der Schule gehänselt, vom Lehrer ermahnt und weder seine Schwester noch seine Eltern nehmen ihn ernst. „Odd-Birnenkompott“ wird er gerufen, gemäß dem englischen „odd“, das sonderbar bedeutet. Der Junge wird geärgert und ärgert sich, liegt abends im Bett und zählt für sich zusammen, auf wen er wütend ist. Als er mit der Klasse den Zoo besucht, sieht er seine Chance: Endlich kann auch er zum Helden werden, wenn er das kleine Krokodil Zack klaut.

Die realistische Situation der Ausgrenzung erfährt dadurch eine absurde Wendung und wird von Taran Bjørnstad trotzdem glaubwürdig und mit viel Humor erzählt. Mit großem Gespür für skurrile Situationen schildert die Autorin, wie der Junge das Tier im Schrank versteckt, ihm Futter besorgt und es dazu bringen muss, das Handy der Schwester wieder auszuspucken. Viele Aspekte der Geschichte erschließen sich durch die außergewöhnliche Illustration. Christoffer Grav knüpft in seinen in grau und grün gehaltenen Bildern an die Sehgewohnheiten von Comics an, macht in ausdruckstarken Zeichnungen die Gefühle seines Protagonisten deutlich und gibt den Figuren Charakter. Die warmherzige Geschichte zeigt mit viel Augenzwinkern, wie aus einem Angsthasen ein mutiger Kerl wird. Eine kluge Gaunerkomödie mit einem sympathischen Helden, die in Maike Dörries Übersetzung spannend zu lesen und vorzulesen ist.

 

Preisträger Kinderbuch

 

Jakob Wegelius (Text, Illustration)
Sally Jones. Mord ohne Leiche
Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs
Gerstenberg Verlag
ISBN: 978-3-8369-5874-5
€ 19,95 (D) , € 20,60 (A)
Ab 9

Jurybegründung
Sally Jones vereint die Lieblingsgenres von Kindern zu einem überzeugenden Kunstwerk: In einer Mischung aus Abenteuerroman, Krimi und Tiergeschichte schickt Wegelius seine Heldin, die maschinenbegeisterte Gorilladame Sally Jones, von Lissabon bis nach Indien. Sie will dabei die Unschuld ihres Chiefs Henry Koskela beweisen, der zu Unrecht im Gefängnis sitzt. Erzählt wird aus der Perspektive Sallys, die eine eigenständige Sicht auf die Welt entwickelt – eine, die der von Kindern ähnlich ist und dadurch zur Identifikation einlädt.

Der Roman spielt Anfang des 20. Jahrhunderts und entwirft ein grandioses Panorama abenteuerlicher Orte, interessanter Figuren und spannender Handlungen. Durch die ebenfalls von Wegelius angefertigten ganzseitigen Zeichnungen der Protagonisten auf den ersten Seiten des Textes und die Darstellung der Reiseroute und zentraler Orte auf dem Vorsatzpapier gewinnt der Leser einen visuellen Eindruck von den unterschiedlichen Erzählelementen des Romans. Das ist Abenteuerliteratur in der Tradition von Jules Verne und Alexandre Dumas, die nicht nur zahlreiche Spannungsepisoden aufweist, sondern auch einen eigenständigen Weltentwurf liefert, der bei der Darstellung fremder Kulturen nicht in Klischees abdriftet. So vermittelt der Text auf unterhaltsame Weise Wissen über Geschichte und Kultur Portugals und Indiens. Hierzu trägt die gelungene Übersetzung von Gabriele Haefs wesentlich bei.

 

Unser Favorit in der Kategorie Bilderbuch

 

Aaron Blabey (Text, Illustration), Lisa Engels (Übersetzung)
Böse Jungs. Band 1 / Aus dem Englischen von Lisa Engels
Baumhaus Verlag
ISBN: 978-3-8339-0423-3
€ 10,00 (D), € 10,30 (A)
Ab 6

 

Jurybegründung

Der böse Wolf will nicht länger Angst und Schrecken verbreiten und wünscht sich einen Imagewechsel. Deshalb gründet er zusammen mit den gefährlichsten Schurken, Mr Piranha, Mr Shark und Mr Snake, eine Gruppe, in der sie gemeinsam lernen wollen, die Welt mit plötzlicher Güte und Freundlichkeit zu überraschen. Bald stellen sie fest, dass es nicht so einfach ist, sein altes Leben hinter sich zu lassen. Wer riesige scharfe Zähne hat, kann noch so sehr lächeln – sein Gegenüber wird doch nur die Zähne sehen. So geraten ihre gut gemeinten Rettungsaktionen aus den Fugen.
Aaron Blabey arbeitet in seinem Comicroman Böse Jungs mit wenig Text und sparsam gestalteten, aber dabei wirkungsvollen Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Immer wieder bricht er die Erwartungshaltung – zunächst allein auf der Figurenebene, schließlich aber auch unter Einbeziehung und mit direkter Anrede der Leser. Wie in einem Filmscript arbeitet er mit unterschiedlichen Perspektiven, zoomt heran und lässt Szenen erstarren oder in plötzliche Bewegung geraten. Filmische Erzählkunst, das lustvolle Spiel mit klassischen Versatzstücken aus Märchen und Filmen und grandiose Komik zeichnen diese Graphic Novel aus, die von Lisa Engels treffend übersetzt wurde.

 

Preisträger Bilderbuch

 

Isabel Minhós Martins (Text)
Bernardo P. Carvalho (Illustration)
Hier kommt keiner durch!
Aus dem Portugiesischen von Franziska Hauffe
Klett Kinderbuch Verlag
ISBN: 978-3-95470-145-2
€ 13,95 (D) , € 14,40 (A)
Ab 4

Jurybegründung
„Hier kommt keiner durch!“ – Das Medium Buch wird Teil der Geschichte, die Mitte der Doppelseite zur unsichtbaren Grenze, die nicht überschritten werden darf. Ein Aufpasser hindert die immer bunter werdende Menge, von der linken auf die rechte Buchseite zu wechseln, die blütenweiß und leer bleibt. Den Grund für seine Aufgabe hinterfragt er nicht, er führt sie gewissenhaft aus, auch als er von den Menschen mit immer drängenderen Fragen nach dem Sinn des Ganzen konfrontiert wird. Schließlich löst sich ein Ball aus der Menge, hopst nach rechts, und da gibt es kein Halten mehr: Die ganze Schar stürmt hinterher.

Die konzeptionelle Idee dieses stringent strukturierten Bilderbuchs ist mit einfachen bildnerischen Mitteln umgesetzt. Die Filzstiftzeichnungen geben ihm eine aus dem Rahmen fallende Ästhetik. Text gibt es in diesem Buch kaum; das wenige, das gesprochen wird, steht in farbigen Sprechblasen. Dafür verstecken sich in dem Gewimmel umso mehr Erzählanlässe. Denn das, was auf den ersten Blick ungeordnet wirkt, folgt einer eigenen Logik. Jede der 62 Figuren erhält einen eigenen Charakter und erzählt eine eigene Geschichte. Das Thema des Buches, der Umgang mit Autoritäten, ist universell und umfasst das Verhalten auf dem Schulhof ebenso wie politische Dimensionen. Diese Zusammenhänge greift das Buch auf witzige und ungewöhnliche Weise auf.

 

Unser Favorit in der Kategorie Sachbuch

 

Ondřej Buddeus (Text), David Böhm (Illustration), Doris Kouba (Übersetzung)
Kopf im Kopf / Aus dem Tschechischen von Doris Kouba
Karl Rauch Verlag
ISBN: 978-3-7920-0367-1
€ 25,00 (D), € 25,70 (A)
Ab 9

 

Jurybegründung

Es gibt Situationen, in denen man sich „die Köpfe heiß reden“ kann. Manchmal ist es aber besser, einen „kühlen Kopf zu bewahren“, und es gibt Menschen, die nicht „auf den Kopf gefallen“ sind –  dennoch können auch sie manchmal „ein Brett vor dem Kopf haben“.
Es ist erstaunlich, in wie vielen Redewendungen der Kopf und die mit ihm verbundenen Sinnesorgane Nase, Mund und Ohren vorkommen. Der tschechische Autor Ondřej Buddeus nähert sich in seinem anregenden Sachbuch, das er als „Lektüre für stolze Träger eines eigenen Kopfes“ empfiehlt, dem Thema Kopf auf unkonventionelle Weise. Aus dem Rahmen fällt auch die eigenwillige und abwechslungsreiche Gestaltung von David Böhm: Eine aufklappbare Seite mit einer Auswahl an Augen, Nasen, Mündern und Frisuren lässt den Leser in die Rolle eines Detektivs schlüpfen, der ein Phantombild rekonstruieren soll. Einige Seiten später wird eine scheinbar exakte Phantasie-Landkarte der Insel „Kopfland“ entworfen, die sich mitten im Atlantischen Ozean von „Kinnfelden“ im Südosten bis zum „Rothaargebirge“ im Nordwesten erstreckt. Doch damit ist nur ein Bruchteil der zahlreichen ebenso witzigen wie inspirierenden Ideen beschrieben, die in diesem originellen Sachbuch zur Beschäftigung mit dem Kopf anregen. Trotz der Fülle an skurrilen Einfällen werden in dem von Doris Kouba sorgfältig ins Deutsche übertragenen Band auch zahlreiche „seriöse“ Sachinformationen vermittelt.

 

Preisträger Sachbuch

 

Piotr Socha (Text, Illustration)
Bienen
Aus dem Polnischen von Thomas Weiler
Gerstenberg Verlag
ISBN: 978-3-8369-5915-5
€ 24,95 (D) , € 25,70 (A)
Ab 6

Jurybegründung
Mit diesem Sachbilderbuch setzt der polnische Cartoonist Piotr Socha, selbst Sohn eines Imkers, diesen kleinen, aber überaus nützlichen Insekten ein literarisches Denkmal. Außergewöhnlich ist nicht nur das große Format, sondern auch die Vielfalt der behandelten Themen und die humorvolle Gestaltung der 32 doppelseitigen Bildtafeln, die am unteren Bildrand kurze Texte enthalten. Zusätzlich zu den Informationen über zoologische Themen wie Körperbau, Fortpflanzung, Verhalten und Bestäubung bietet das Bilderbuch einen Einblick in die Kulturgeschichte der Bienen und der Imkerei.

Wer weiß schon, dass bereits die alten Ägypter Bienen verehrt haben? Oder dass Napoleon die Krönungsmäntel für sich und seine Frau mit goldenen Bienen besticken ließ? Welche Folgen das massive Bienensterben für den Menschen haben kann und worin seine möglichen Ursachen liegen, bleibt nicht ausgespart.

Zwei als „Bienenblättchen“ bezeichnete fiktive Zeitungsseiten sind eine Fundgrube für kuriose Informationen. Der Band ist komplett durchkomponiert – vom Vorsatz im stilisierten Bienenmuster über die teils karikierend vereinfachenden, teils anatomisch korrekt ausgeführten Illustrationen bis zum poetischen Text, dessen satirischer Unterton auch in der Übersetzung von Thomas Weiler erhalten bleibt. Bienen ist eine überaus vergnügliche Enzyklopädie für die ganze Familie, die ein interessantes Thema wissenschaftlich, kulturgeschichtlich und künstlerisch aufgreift.

 

Unser Favorit in der Kategorie Jugendbuch

 

Tamara Bach (Text)
Vierzehn
Carlsen Verlag
ISBN: 978-3-551-58359-8
€ 13,99 (D), € 14,40 (A)
Ab 12

 

Jurybegründung

Beh ist 14, die Sommerferien sind vorbei, der erste Schultag steht bevor und sie hat eine Menge verpasst. Zum Beispiel die Klassenreise, an der sie nicht teilnehmen konnte, weil sie krank war. Wie ist es, nach einer Zeit, die einem mit 14 ewig vorkommt, zurückzufinden zu den Klassenkameraden, die sich über den Sommer verändert haben? Und wie fühlt es sich an, wenn sich auch noch das eigene Leben mit voller Wucht verändert, die Eltern sich scheiden lassen, der Vater eine neue Familie gründet und schließlich noch das erste Verliebtsein ins Spiel kommt?
Tamara Bach spricht die Leser direkt an und erzählt in ihrem schmalen Roman von nur einem einzigen Tag aus Behs Leben. Vieles bleibt in dieser Geschichte ungesagt und offen. Was steht auf dieser Postkarte, die sie von dem Jungen erhielt, der sie vor kurzem küsste? Diese und andere Leerstellen zu füllen, bleibt dem Leser überlassen. Trotz der zahlreichen Lücken kommt man der Protagonistin sehr nahe. Für Behs Erfahrungen, Erwartungen und Ängste findet Bach in ihrem Roman eine wundervoll einfache und zugleich poetische Sprache, die zurückhaltend und gleichermaßen authentisch an die Wahrnehmungen und Gefühle der Protagonistin heranführt. Selten hat ein Roman die Sorgen, Nöte und Hoffnungen des Jungseins treffender in einen literarischen Ton übersetzt als Tamara Bachs Vierzehn.

Matilda vom Leseclub Pankow hat das Buch für uns auf Tales & more vorgestellt:

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Preisträger Jugendbuch

 

Bonnie-Sue Hitchcock (Text)
Der Geruch von Häusern anderer Leute
Aus dem Englischen von Sonja Finck
Königskinder Verlag
ISBN: 978-3-551-56021-6
€ 17,99 (D) , € 18,50 (A)

Jurybegründung
Die Autorin führt ins Alaska der 1960er- und 1970er-Jahre, in eine Zeit, in der sich das Land durch die Ernennung zum 49. Bundesstaat der USA in einer politischen, sozialen und kulturellen Umbruchsituation befindet. Emotionale Veränderungen erleben auch die vier jugendlichen Protagonisten, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird. Sie müssen ihren Platz innerhalb einer Gesellschaft zwischen Traditionsbewusstsein und Aufbruchsstimmung finden.

Hitchcock schreibt in ihrem biografisch inspirierten Debüt über einen Kulturkreis, der in der Jugendliteratur bislang kaum behandelt wurde. Die fein gesponnenen Erzählstränge ziehen sich durch die karge Kälte Alaskas, durchqueren die Häuser der Bewohner der Region und werden kunstvoll zusammengeführt. Die Qualität dieses außergewöhnlichen und von Sonja Finck hervorragend übersetzten Romans besteht darin, die Atmosphäre, den Duft und das Lokalkolorit Alaskas in einen sprachlichen Ton zu überführen, der sofort fesselt. Die Autorin überzeugt mit der sensiblen Zeichnung ihrer jungen Protagonisten, deren Innenleben in den Landschaftsschilderungen einen symbolischen Ausdruck findet. Es gelingt Hitchcock, aus den Erfahrungen, Nöten und Träumen einer Generation ein Gesellschaftsbild von poetischer Kraft und zeitloser Aktualität zu zeichnen. Der sprachmächtige Jugendroman verbindet die Schilderung eines entfernten Kulturraums mit universellen Fragen des Erwachsenwerdens.